Ziegelphysiker versus was?
BAU-Forum: Bauphysik

Der Reihe nach: Wieso ist massiv Bauen klassisch? Das gilt doch nur aus der deutschen Gartenzaunperspektive. Ich bin Schwede und für mich ist das Bauen mit Holz klassisch. Wäre ich Nordamerikaner, würde ich das Gleiche sagen. Auch als Japaner und als Russe. Und auch in Deutschland wurde früher mal vorwiegend mit Holz gebaut (Fachwerk). Was heißt da "klassisch"?
Und Lüften über Fenster muss ich in einem Massivhaus (irreführender Begriff, der Solidität assoziieren soll) genauso wenig wie in einem Holzhaus (gern als "Leichtbau" diffamiert). Ein modernes Massivhaus unterliegt den selben gesetzlichen Anforderungen wie ein modernes Holzhaus, während ein altes Holzhaus genauso sanierungsbedürftig sein kann wie ein alles Steinhaus. Heute müssen alle Neubauten wärmegedämmt und luftdicht ausgeführt sein. Eine kontrollierte Raumlüftung ist dabei in Deutschland im Gegensatz zu Schweden nicht vorgeschrieben, weil die deutschen Bauherren alle das richtige Gefühl dafür haben, wie man die Heizkosten zum Fenster hinauslüftet.
Jetzt das eigentliche Thema: "Ziegelphysiker". Hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Bei dem Ziegelphysiker handelt es sich doch nicht um den Bauherrn, sondern selbstverständlich um tatsächliche oder vermeintliche Bauexperten mit einer Ziegelphilie (oder besser, Dämmphobie), die sich die bauphysikalische Wirklichkeit so hingestrickt und verfälscht haben, dass sie ihre abstrusen Thesen zu beweisen scheinen. Sie sind in der Regel vernetzt, und wenn man die einzelnen Spinnweben dieses muffigen (Ja ja, der Bauschimmel lässt nämlich grüßen!) Interessengeflechtes verfolgt, dann landet man relativ rasch im Zentrum, der deutschen Ziegellobby.
Wie soll man also all diese unterschiedlichen Menschen nennen? Ich schlage vor: Menschen.

Aufgebracht wurde das Thema von Herrn Klaus Fischer, seines Zeichens Architekt und Experte für Sanierung im Denkmalschutz. Davon versteht der was. Gerade in der Anfangsphase des Dämmens (80er Jahre) wurden noch massive Fehler gemacht, was besonders in der Altbausubstanz, die über Jahrhunderte gut funktionierte massive Schäden nach sich zog. Das hat den Menschen  -  zurecht geärgert, und da er ein begabter Polemiker ist hat er in seiner Site ordentlich vom Leder gezogen. Leider hat er einige fundamentale Grundlagen der Physik nicht wirklich verstanden und von modernen Baumaterialien und Bauweisen hat er auch keine große Ahnung. Die Diskussion um seine und seiner Freunde Thesen hat ihnen dann den Spotnamen "Ziegelphysiker" eingebracht, da er einfach nicht bereit oder fähig war dazuzulernen.
Das dichte Gebäudehüllen was das Feuchte angeht problematisch sind stimmt. Auch wir können täglich unsere Fenster unten abwischen. Das nervt. Vielleicht ist da diese Zwangslüftung doch schick. Andererseits findet der Schimmel auch im Altbau sein Plätzchen und Leute wie der Fischer sollten sich da nicht so weit aus ihrem Doppelkastenfenster lehnen.
Noch was zum hier so geschätzten Massivbau. Früher wurden die Häuser der einfachen Leute aus dem gebaut, was greifbar war. Oft Blockbohlenbau, wenn die Gegend Holzreich war, hier in Mitteldeutschland oft Fachwerkbau oder anderer Holzbau / Lehmbau. Steinhäuser (Massivbau) waren für die Reichen. Mitte des 19Jh wurden industriell hergestellte Ziegel für einfachere Leute einigermaßen erschwinglich und traten in Konkurrenz zur traditionellen Bauweise. Der Ziegel war dann was besseres. Häuser in Doppelschaliger Bauweise waren im sturmgepeitschten Norden wirklich besser als Lehmbau, wo immer mal wieder die Wände bis innen feucht wurden. Aus dieser Zeit kommt die besondere Wertschätzung des Ziegelbaus. Diese Häuser Ziegel, auch Fachwerk und Holz sind Klasse  -  bis auf die Tatsache, dass sie nun mal ziemlich viel Heizenergie benötigen. Heutzutage werden Häuser auf eine Bodenplatte gestellt und Setzungen, durchhängende Decken oder so was, was oft die alten Häuser bedroht sind kein Thema mehr. Die Baumaterialien sind im Hinblick auf Wärmedämmung designed. Und da sind die auch gut. Der moderne Ziegel hat mit seinem Pendant aus dem 19. Jh nicht viel zu tun, der Holzrahmenbau auch nicht mit dem althergebrachten Holzhaus. Die Probleme treten im Hinblick auf Feuchte und Lüftung auf. Da hat der Fischer schon den Finger auf der Wunde, aber einfach nur rummeckern und schreien dass früher aller besser war ist halt auch Unsinn.

hätt ich liebe nicht. Beim Bau ist es halt wie im richtigen Leben. Es lebt der Mythos. Der eben beleuchtete Ziegelmythos ist nicht der einzige. Der Schwedenhausmythos wird mit ebendemselben messianischen Eifer gepflegt, wie man mal wieder sieht. Naja, was soll es, solange der Verstand nicht völlig untergeht.

Dieser Schwedenhausmythos transportiert immerhin nachprüfbare Tatsachen und nicht das Gegenteil, stimmt's? Ansonsten hätte ich schon jede Menge Diskussionen verlieren müssen. Habe ich aber zu mancher Leute Verdruss nicht. Wenn es so wäre, hätte ich mich längst aus der Öffentlichkeit zurück gezogen oder würde womöglich Häuser für Herrn Jaskulski verkaufen. Ich werde aber den Teufel tun. Dazu ist mein Denkapparat zu gut ausgestattet.

Hatte gerade eine Eingebung: Man lege ein Foto eines durchschnittlichen Schwedenhauses neben das Foto von B. Kunerts Haus. Da wird mir verständlich, warum B. Kunert immer wieder gegen diesen ominösen "Schwedenhausmythos" wettert. Den ich ja oben übrigens gar nicht bedient hatte. Wenn schon, dann "Holzhausmythos" bitte.

Um die Frage zu beantworten )
Frischluftfetischisten oder Fogging-Syndrom-Verhinderer vielleicht? ... )

aber unser Haus ist ein völlig mythonsfreies Gebäude, und dass es ein Ziegelbau ist, ist eher Zufall, aber Unglücklich bin ich da im Nachhinein nicht drüber. Wir hatten zuerst auch ein Holzständerhaus in nächstem Augenschein. Halt irgendeins der 0815-Typhäuser, dann kam dieses "Aktionshaus" der Baufirma  -  Ein nimm es oder Lasses Angebot. Mehr und besseres konnten wir uns nicht leisten. Etwas Stolz bin ich höchsten drauf, Preis, Eigenleistung und Nutzwert gut optimiert zu haben. Investieren tun wir in unsere vier Kinder, nicht in ein Traumhaus, Auto oder irgend so einen Blödsinn.
Komm Stodi, es ist Weihnachten. Ich wünsch Dir ein frohes Fest.

Ich wusste doch, dass Berliner Herz haben! Na ja, manchmal halt mit Schnauze. Aber dann bin ich auch ein Berliner.
Ich vermute auch, dass ihr es mit eurem Haus ganz richtig gemacht habt, und deshalb will ich jetzt nicht weiter angeben mit meinen Schnuckelhäusern, die fast alle toll finden, aber nur wenige bauen, weil sie sich nicht trauen.
Außerdem: Schicke Faschen und geschickte Farbgebung ist genauso bei einem verputzten Haus möglich. Außerdem ist es Geschmackssache. Die Optik sagt ja sowieso meist wenig über die inneren Qualitäten eines Hauses aus, noch nicht einmal über die Bauweise.
Ich will dir schnell noch veraten, wo ich im letzten Juli den mit Abstand besten Sahnematjes meines Lebens mit Bratkartoffeln für kleines Geld gegessen habe: Im Cafe Kant in der Kantstr.