Risse in Holzzementfassadentafeln der Fa. Eternit
BAU-Forum: Außenwände und Fassaden

Risse in Holzzementfassadentafeln der Fa. Eternit

Wir haben im Jahr 2001 in Baden Württemberg gebaut und an den Giebelflächen der Ost- und Westfassade (Ostfassade, Westfassade) Holzzementfassadentafeln Typ Holzcolor (Duripanel Elementa) der Fa. Eternit verwendet. An etlichen Zuschnitten liegen heute Eckabrisse vor.
Unser Architekt sagt, dass es immer wieder Materialprobleme mit diesen Platten gibt und hat die Fa. Eternit zur Begutachtung gebeten. Diese sagt jedoch, dass die Risse auf wesentliche Abweichungen der Verarbeitungsrichtlinien der Fa. Eternit zurückzuführen sind und somit kein Materialproblem darstellen:
1. Die Verschraubungen wurden zu nahe an den Ecken ausgeführt, die Mindestmaße für die Befestigungsrandabstände wurden also nicht eingehalten.
2. Es wurden Senkkopfschrauben verwendet und damit Festpunkte geschaffen, obwohl beim Material begrenzt reversible Längenänderungen auftreten.
Die Baufirma, die die Platten angebracht hat, lehnt eine Kostenübernahme für neue Platten ebenfalls ab. Begründung: Garantiezeit (5 Jahre) ist abgelaufen und der Architekt, der auch die Bauleitung hatte, hat das Gewerk damals abgenommen.
Nach Befragung des Architekts hatte dieser damals die Abweichungen der Verarbeitungsrichtlinien nicht bemerkt.
Welche Chancen haben wir gegenüber Eternit/Baufirma/Architekt? Stichwort: Versteckter Mangel.
  • Name:
  • Simon
  1. Ansprüche gegen Architekt / Bauunternehmer nach Ablauf der Gewährleistungszeit?

    Foto von Ralf Wortmann

    Hallo!
    Wenn der Architekt auch mit der Leistungsphase 9 des § 15 HOAIAbk., nämlich der Überwachung der Beseitigung von Mängeln während der Gewährleistungszeit beauftragt war, haftet er i.d.R. 10 Jahre. Seine 5-jährige Gewährleistungszeit beginnt dann erst mit Ablauf der Gewährleistungsphase des Bauunternehmers (BU). Dann hättet ihr sehr gute Chancen, Ansprüche gg. den Architekten durchzusetzen.
    Gegen den Bauunternehmer (und evtl. auch gegen den Architekt, falls Leistungsphase 9 nicht vereinbart wurde) könnten  -  trotz Ablaufes der Gewährleistung  -  Ansprüche wegen Arglist in Betracht kommen, wenn er so grob gegen die Herstellerrichtlinien verstoßen hat, dass er mit dem Eintritt von Schäden hätte rechnen müssen. Bei der Verwendung falscher Schrauben käme das in Betracht, aber u.U. auch bei unübersehbar zu kleinen Bohrlöchern mit zu geringem Spiel (Stichwort Stufenbohrer).
    Für solche Fälle ergibt sich eine Gewährleistungsfrist von 10 Jahren gem. §§ 634 a III BGb i.V.m. § 195 und § 199 BGBAbk.. Für Fälle, die vor dem 01.01.2002 stattfanden, endet diese Frist am 31.12.2011.
    Nachteil: dafür, dass Arglist vorlag, ist der Bauherr darlegungs- und beweispflichtig (darlegungspflichtig, beweispflichtig).
    Eternit-Platten und ihre unrichtige Montage sind des öfteren Gegenstand von Baustreitigkeiten. Ich vertrete gerade jemanden für eine Haftpflichtversicherung in einem Prozess, in dem auf Arglistbasis nach Ablauf der Regelgewährleistungsfrist von 5 Jahren u.a. einem Bauunternehmer vorgeworfen wird, gegen die Herstellerrichtlinien verstoßen zu haben. Es waren sehr lange Platten mit rund 2,80 m Länge. Nach einigen Jahren sind an mehreren Stellen die Ecken abgeplatzt.
    Eternit soll seine Richtlinien in den letzten Jahren angeblich modifiziert haben. Ihr solltet also die "alten" Richtlinien zur Hand haben, die 2001 galten. Auf die kommt es an.
    Viele Grüße
    Ralf Wortmann, Magdeburg
    Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht (Baurecht, Architektenrecht)
  2. Materialproblem bei den Platten?

    Sehr geehrter Herr Wortmann,
    vielen Dank für die interessanten Hinweise.
    Im Nachbarort wurden an einem Haus vom selben Architekt ungefähr zur gleichen Zeit die selben Platten verwendet. An diesen Platten sind zwischenzeitlich ebenfalls sehr starke Schäden vorhanden, laut Architekt sogar noch größere Schäden als bei uns. Diese wurden von einem anderen Bauunternehmer angebracht und es wurden wohl die Richtlinien eingehalten. Diese Platten wurden am selben Tag und von der selben Person wie unsere Platten begutachtet. Diese Platten werden von Eternit komplett ersetzt (nur die Materialkosten, nicht jedoch die Montagekosten). Auch mehrere Lieferanten unseres BUs haben bestätigt, dass es mit diesen Platten Materialprobleme gibt, auch sind diese Platten inzwischen vom Markt genommen worden. Uns wurde von mehreren Seiten dringend empfohlen, nicht nur die beschädigten Platten, sondern alle mit dem "Nachfolgermodell" zu ersetzen. Unser Bauunternehmer ist bereit, ein Viertel der Kosten zu übernehmen, sagt aber, dass Eternit hier eben auch nicht ganz außen vor bleiben kann. Wie stehen hier unsere Chancen, nachdem eine Kostenbeteiligung von Eternit bereits abgelehnt wurde.
    • Name:
    • Simon
  3. Hallo, Herr Simon, das Innenverhältnis zwischen Bauunternehmer und ...

    Foto von Ralf Wortmann

    Hallo, Herr Simon,
    das Innenverhältnis zwischen Bauunternehmer und Eternit ist für Sie zunächst einmal unerheblich. Sie haben (sofern unverjährt) Ansprüche gegenüber dem Bauunternehmer und evtl. zudem gegenüber dem Architekten. Wer von denen im Innenverhältnis beim Hersteller evtl. Regress nehmen kann (dürfte wegen Verjährung schwierig sein), ist ausschließlich deren Sache.
    Etwas anders könnte höchstens gelten, wenn nicht ihr BU, sondern seinerzeit Sie selbst die Platten gekauft und bauseits bereitgestellt haben. Ich gehe zunächst davon aus, dass die Platten der Bauunternehmer geliefert hat und dass das zum Werkvertrag dazu gehörte.
    Mit Schuldzuweisungen an den Hersteller wäre ich vorsichtig. Nicht selten stellt sich bei näherer Untersuchung dann doch heraus, dass Montagefehler vorliegen. Diese sind von außen ohne Demontage der Platten und Verschraubungen oft nicht erkennbar.
    Dafür, dass die Platten irgendeinen herstellerseitigen Mangel aufweisen und dass nur dieser vermeintliche Mangel für die Risse ursächlich ist, ist der Bauunternehmer darlegungs- und beweispflichtig (darlegungspflichtig, beweispflichtig). Wenn die Platten die auch gerissen sind, Montagefehler aufweisen, streitet zumeist der Beweis des ersten Anscheines dafür, dass es an den Montagefehlern des Bauunternehmer liegt.
    Wenn allerdings der Bauunternehmer  -  dann wohl erst im Prozess  -  tatsächlich zur Überzeugung des Gerichts beweisen sollte, dass die Platten mangelhaft waren, und dass er diesen Mangel nicht erkennen konnte und dass nur dieser Mangel für die Risse ursächlich ist, verlieren Sie den Prozess, weil dann ein etwaig arglistiges Handeln des Bauunternehmer in Bezug auf die Montagefehler nicht kausal war für den Schaden.
    Was die Frage angeht, ob eine komplett neue Plattenfläche zu montieren ist:
    Grundsätzlich sind aus rechtlicher (nicht technischer) Sicht nur die Platten zu ersetzen, die gerissen sind sowie diejenigen, bei denen  -  auch ohne Risse  -  Montagefehler vorliegen, die nicht ohne Beschädigung der Platten (z.B. Bohren eines neuen Loches nebenan mit ein bisschen mehr Abstand) behoben werden können. Auch sind natürlich ausnahmslos alle sonstigen Montagefehler zu beseitigen.
    Unbeschädigte Platten ohne Montagefehler sind nur zu ersetzen, wenn sie im Verhältnis zu den neuen Platten einen nicht hinnehmbaren optischen Farb- oder Strukturunterschied aufweisen.
    Im Hinblick auf die Gesamtlebensdauer der Platten müssen Sie sich evtl. im Wege des Vorteilsausgleichs kostenanteilig an den Kosten der neuen Platten beteiligen, weil die neuen Platten nun eine längere Lebensdauer haben. Die Vorteilsausgleichung unterliegt vielen Faktoren. Diese zu erörtern, würde den Rahmen dieses Threads überschreiten. Sie gilt m.E. ohnehin vor allem dann, wenn doch alle Platten ersetzt werden müssen. Wenn nicht, wird es zur Frage des Vorteilsausgleichs rechnerisch kompliziert.
    Natürlich bestehen Prozessrisiken, alleine schon wegen der Frage der Arglist.
    Viele Grüße
    Ralf Wortmann, Magdeburg
    Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht (Baurecht, Architektenrecht)
  4. Wohl doch komplizierter als man denkt

    Hallo Herr Wortmann,
    vielen Dank für die ausführliche Antwort. Letztendlich ist es eben so, dass man eigentlich alles richtig gemacht hat (erfahrener Architekt, erfahrenes BU, erfahrener Materiallieferant, keine Eigenarbeit), trotzdem hat man jetzt das Theater, muss Zeit investieren und muss vermutlich zum Schluss dann doch bezahlen.
    Trotzdem waren Ihre Ausführungen sehr hifreich. Wir werden uns das weitere Vorgehen in den kommenden Tagen genau überlegen.
    Nochmals vielen Dank.
    • Name:
    • Simon

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